Werkstattgespräch mit Lisa Weber
Programm
Samstag, 4. März 2023
Votiv Kino 3, Währinger Straße 12, 1090 Wien
14:00 – 15:45 Screening
Twinni oder so (AT 2012, 12 min)
Jetzt oder morgen (AT 2020, 89 min)
16:00 – 19:00 Werkstattgespräch
Im ausführlichen Gespräch mit Kritiker und Kurator Olaf Möller gewährt Lisa Weber Einblicke in ihre Arbeitsweise sowie in frühe, kaum bekannte Kurzfilme.
Ausklang ab 19:00 Uhr mit Brot und Wein im Foyer des Votiv Kino.
Freier Eintritt.
Zu Gast
Aufgewachsen in einer Gärtnerfamilie in Wien-Simmering. Später einsemestriges, jedoch fröhliches Studium der Slawistik an der Universität Wien. Danach umso längeres Studium der Regie an der Filmakademie Wien. Ihr Langfilmdebüt Sitzfleisch wurde beim International Film Festival Rotterdam uraufgeführt. Ihr zweiter Langfilm Jetzt oder morgen feierte seine Weltpremiere im Panorama der Berlinale.
*Lisa Webers Kurzbiografie auf
www.austrian-directors.com
Eigens für diese Veranstaltung beschäftigt sich Olaf Möller in diesem Text mit Lisa Webers bisherigem Schaffen.
Lisa Weber
Lisa Weber (*1990 in Wien), aufgewachsen in einer Gärtnerfamilie in Wien-Simmering, begann 2009 ihr Regiestudium an der Wiener Filmakademie bei Michael Haneke und Wolfgang Murnberger.
Ihre Lust am Experimentieren mit dokumentarischen Formen zeigt sich bereits in ihren frühen Kurzfilmen, mit denen sie erste Erfolge bei Filmfestivals feierte. Noch zu Beginn ihres Filmstudiums wurde „Kommt ein Sonnenstrahl in die Tiefkühlabteilung und weicht alles auf“ (AT 2010, 8 min) zu den renommierten Oberhausener Kurzfilmtagen eingeladen und beim Vienna Shorts Festival als „Bester Österreichischer Kurzfilm“ ausgezeichnet. Mit „Twinni oder so“ (AT 2012, 12 min) machte sie kurz darauf wieder von sich reden. Er zeigt Momente aus dem Leben zweier Mädchen, denen einfach nur „urfad“ ist. „Radikal“, schrieb der Kritiker Markus Keuschnigg, weil der Film dem bildungsbürgerlichen, sozialhygienischen Mief, der immer dann ruchbar werde, wenn das Kino Jugend verhandeln wolle, nicht einmal etwas entgegensetze, sondern ihn schlicht ignoriere.
Obwohl Begriffe wie „beobachtend“ und „sozialrealistisch“ auf Lisa Webers dokumentarischen Ansatz zutreffen, wird damit lediglich ein Teil ihrer Methode erfasst, denn der problematisierende Blick von oben, der bei „sozialrealistisch“ oft mitschwingt, fehlt. Stattdessen zeugen ihre Filme von einer tiefen Zuneigung für ihre Protagonist:innen, denen sie stets auf Augenhöhe begegnet.
Für ihren ersten abendfüllenden Dokumentarfilm begleitete sie ihre launischen Großeltern auf einer 7000 Kilometer langen Autoreise zum Nordkap: „Sitzfleisch“ (AT 2014, 77 min), das „fesselnde Porträt eines Paares, das seit einem halben Jahrhundert zusammen ist, mit Takt und Humor in Szene gesetzt“, so der Hollywood Reporter, wurde auf dem Rotterdam Filmfestival uraufgeführt.
Für ihren zweiten Langfilm „Jetzt oder morgen“ (AT 2020, 89 min), der auf der Berlinale 2020 seine Weltpremiere feierte, begleitete sie über drei Jahre eine Wiener Familie: die 19-jährige Alleinerzieherin Claudia, ihren Bruder (beide wirkten bereits in ihren Kurzfilmen mit) und ihre Mutter, die in einem Gemeindebau in Wien-Simmering leben. Keiner von ihnen hat einen Job, die Tage schleppen sich dahin, die Zukunft verspricht nicht viel mehr als das bereits Dagewesene. „Eine Steppe mit vier Lebewesen, mittendrin in der Menschheit“, schreibt der Spiegel in einer sehr lesenswerten Rezension über den Film.
Lisa Weber dokumentiert in ihren Filmen nicht nur das Geschehen vor der Kamera, sondern ohne viel Aufhebens auch die Beziehung zwischen ihr selbst und ihren Protagonist:innen. Dann tritt die „beobachtende“ Regisseurin in Momenten selbst ins Bild, oder sie ist von hinter der Kamera zu hören; nicht zum Selbstzweck, sondern um ihre Anwesenheit deutlich zu machen. Das Kameraobjektiv mag seinem Namen in gewisser Weise gerecht werden, aber Objektivität ist in ihren Filmen ebenso wenig der Anspruch wie eine zur Schau gestellte „künstlerische Handschrift“. Trotzdem erkennt man Lisa Webers Filme unter allen anderen wieder: An der ungebremsten Neugier für das Leben ihrer Protagonist:innen und am alles durchdringenden „Herzklopfen, das das Hirn übertönt“ (wie es im Abspann zu „Twinni oder so“ heißt).
Rückblick
Lisa Weber im Gespräch mit Olaf Möller im Votiv Kino